Bereits kurz nach der Befreiung vom nationalsozialistischen Regime wurde die Großloge von Österreich im August 1945 wieder zugelassen – sogar mit Genehmigung der sowjetischen Besatzungsmacht. Warum war das so und warum hat die kommunistische Siegermacht nicht genauso restriktiv agiert, wie im Osten Deutschlands? Diese Fragen erreichten mich nach meinem Artikel über das 100-jährige Jubiläum der Großloge von Österreich in der Ausgabe 4/2018 der „Humanität“.
Die Antwort ist einfach: Vor allem, weil die vier Besatzungsmächte die Österreicher besser behandelten. Während die Bundesrepublik Deutschland und die DDR erst 1949 gegründet wurden, erstand die 1938 von Hitler „eingeschläferte“ Republik Österreich sofort nach Kriegsende wieder. Es gab zwar ebenfalls vier Besatzungszonen, aber Österreich wurde nicht geteilt. Die provisorische Bundesregierung wurde sogar schon Ende April 1945 eingesetzt, eine Woche vor Kriegsende. Im Herbst folgte die Parlamentswahl, bei der die Kommunisten übrigens nur magere fünf Prozent der Stimmen erhielten.
Doch auch wenn die sowjetische Besatzungsmacht den Wiederaufbau der Logen hätte verhindern wollen, wäre das rein logistisch ein schwieriges Unterfangen gewesen. Das Domizil der Großloge mit allen ihren angeschlossenen Wiener Logen lag (und liegt) im ersten Wiener Bezirk, in dem auch alle wichtigen Staatsorgane angesiedelt sind. Zu deren Schutz und im wechselseitigen Misstrauen wurde der erste Bezirk – anders als in Berlin – von den Besatzungsmächten im Rotationsverfahren verwaltet. Im Monatsrhythmus wechselten sie einander ab, mit zackigen Wachablösungen und sonstigem militärischem Brimborium. Ein „Kollateralnutzen“ für die Freimaurer: Auch sie befanden sich im ersten Bezirk unter dem Schirm dieser schlauen Lösung.
Für die schnellere Erholung der österreichischen Freimaurerei gibt es wohl auch noch einen weiteren Grund: In Österreich existierte immer nur eine Großloge. Dadurch blieb hier erspart, was die deutschen Brüder jahrzehntelang viel Energie kostete: der Aufbau eines geordneten Miteinanders und eines gemeinsamen Daches.
Der Beitrag entstammt der Zeitschrift “HUMANITÄT — Das Deutsche Freimaurermagazin”, Ausgabe 6-2018.