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Von Michael Jansen
oder: Gedankenreiniger in der Sackgasse
Die Flucht an sich mag ein Gedankenspiel sein, aber immer spielt dabei die Zeit eine große Rolle und die Fluchtwege, erst heraus aus dem Inneren, dann der Versuch, im Äußeren richtige und vernünftigen Wege zu finden, ein Tanz der Stunden, mal der langsame Walzer, dann die schnelle Polka und der leidenschaftliche Tango, mit sich selbst allein auf dem Parkett oder auch in der Gruppe anderer Zeitsuchender, ein Rhythmus der Gefühle, eine Rolle der Gedankenflucht, immer wieder aufs Neue, jeden Tag.
Die 24 Stunden eines Tages vergehen manchmal in rasender Geschwindigkeit, dann gibt es wiederum die Tage, an denen die Zeit geradezu fest an einem klebt. Minuten und Sekunden werden gezählt, ein sich ständig wiederholender Ablauf, doch die Einteilung liegt an jedem selbst. Welche Stunde ist besonders wichtig, bedeutend, welche Sekunde möge bald rasch verstreichen, manchmal wird das alles zu einem unübersichtlichen Zeitkampf.
Die 24-Stunden-Einteilung geht bereits auf die Babylonier zurück, für die die Zahl zwölf eine ganz besondere Bedeutung hatte. Der helle Tag und die dunkle Nacht wurden in jeweils zwölf Stunden eingeteilt. Doch hier und jetzt nur in hell und dunkel einzuteilen, ist viel zu wenig. Ein jeder entwickelt während seines Lebens und gerade bei uns Freimaurer-Brüdern erscheint es mir als besonders wichtig, eine häufig veränderte Zeitplanung, ein Gefühl zur Verwirklichung der Lebensmomente, angepasst an die jeweilige Situation, ein Zeitgefühl aus dem Inneren des Herzens, der Herzschlag als Rhythmusgeber für erlebte Augenblicke.
Nun denke ich, dass der Tag nicht unbedingt nach Vorschrift ablaufen muss, also warum ist die erste Stunde des Tages unbedingt von 0:00 Uhr bis 1:00 Uhr? Ich lasse den Tag einmal um 6:00 Uhr beginnen. Die letzte Stunde beginnt dann um 5:00 Uhr anderntags. Nebenbei bemerkt, eine Umdrehung unserer Erde dauert nicht genau 24 Stunden, sondern sie dreht sich in 23 Stunden und 56 Minuten um die eigene Achse. Spüren wir den Verlust dieser 4 Minuten? Manchmal sind diese Minuten sehr lang, manchmal sehr kurz und häufig auch irgendwie gar nicht vorhanden, demnach aus dem Bewusstsein gestrichen.
Die Einteilung der 24 Stunden ist natürlich sehr individuell, aber ich möchte diese Zeitspanne einmal als ein Beispiel an uns vorbeiziehen lassen, dabei ergeben sich bunte Möglichkeiten, von Stunde zu Stunde eine Gedankenwelt aufzubauen und neu zu formulieren.
Liebe Brüder, nehmt diese zahlreichen kurzen Gedankenfetzen in euch auf, sie lassen sich austauschen, verändern oder ergänzen, wichtig ist mir, die Zeit an sich als mit Weisheit vollgesogenes Spektakel ganz besonderer Herausforderung zu begreifen. Lassen wir uns darauf ein und beginnen wir jetzt morgens um 6:00 Uhr mit diesem Spiel, mit dieser Zeitenwelt, mit einer 24-stündigen Zeit-Flucht heraus aus der Sackgasse.
Die Zeit von 6 Uhr bis 7 Uhr:
Die Stunde des Erwachens, das Greifen nach Licht, die Sinne werden bewegt, offen für neue Ideen und wieder steht der Tag am Anfang einer großen Chance, Möglichkeiten in direkt zeitlicher Planung, das Licht bedeutet funkelnder Verstand, die Kreativität weiß von ihren Grenzen, doch darf sie sich nie einsperren lassen, Grenzen können auch offene Schranken sein, mit der ersten Stunde öffnet sich die Weitsicht, sie steht im Licht.
Die Zeit von 7 Uhr bis 8 Uhr:
Eine Stunde in der Zukunftserwartung wird gefestigt, wird auch neu gedacht, es mögen sich viele Erwartungen erfüllen, dann schafft dies aber ebenso häufig Leiden, diese Leidenschaft versucht sich in einer Beziehung mit dem Zweifel, es kann durchaus mit leerer Hoffnung enden, aber der Zweifel lebt auch von der Zuversicht, aus dieser Verbindung entsteht womöglich Realitätssinn, oder doch Zukunftserwartung?
Die Zeit von 8 Uhr bis 9 Uhr:
Augenblicke einer melancholischen Hoffnung, hierbei wird die Sehnsucht zur Realität, die Suche nach der Wahrheit wird zur Täuschung, Enttäuschungen werden wahrnehmbare Vorstellungen, Tatsachen unserer Existenz enden in einer Fantasiewelt, vielleicht ist diese Stunde ein einziges Missverständnis.
Die Zeit von 9 Uhr bis 10 Uhr:
Auf der Suche nach der harmonischen Stunde, ist es jetzt die rechte Zeit oder bleibt es sechzig Minuten lang ein ewiges Suchen, und wer sagt uns, wann wir die Harmonie gefunden haben? Aber die Suche an sich ist als Fortschritt zu bewerten, die Stunde hat die Chance auf ein Glücksgefühl, sie stärkt uns.
Die Zeit von 10 Uhr bis 11 Uhr:
Einfach mal jede Minute zählen, sie wirken lassen, spüren, wie die Zeit zerfließt, ein Zeiterlebnis zum Davonspülen, Wegschwimmen, Erlebnisse in ganz kleinem Rahmen, nur so kann das wirklich Große entstehen, die Ehre der Minute, da lauert aber im Hinterhalt schon die Sekunde, kann es bitte ein Stück schneller gehen, Stromschnellen der erlebten Zeit.
Die Zeit von 11 Uhr bis 12 Uhr:
Eine Zeit der Lebenskunst und der klugen Gedanken, der Wünsche und der Begierden, ein sich wiederholender Versuch, innere Freiheit zu finden, die Fesseln zerschneiden und den Sinn der individuellen Persönlichkeit erkennen, dass Selbst aus den Bedürfnissen der unglücklichen Gefangenschaft befreien, Lebenskunst der Zufriedenheit.
Die Zeit von 12 Uhr bis 13 Uhr:
In der Stunde der Weisheit müssen stets Überraschungen zugelassen werden, sie stärken die Fantasie und festigen die Chance auf Flexibilität, neue Wege werden erkannt, die müssen aber gar nicht unbedingt fremd sein, es kommt auf den rechten Blickwinkel an, lassen wir uns überraschen.
Die Zeit von 13 Uhr bis 14 Uhr:
In den Zeiten eines Lichtblickes, eine existenzielle Ermutigung, eine Hoffnung, vielleicht auch mit einer Erwartung verbunden, wohl im positiven Sinne, also wer hofft, ist zuversichtlich, der hoffnungsvolle Mensch, hoffnungsvolle Bruder erkennt die Gefahr, sein Blick richtet sich auf das Ende des Tunnels: Alles ist doch halb so schlimm, es geht vorbei, somit ist die Hoffnung eine Energiequelle, Kraft spenden in der Not.
Die Zeit von 14 Uhr bis 15 Uhr:
Eine Stunde für den Optimismus, nicht immer nur zweifeln, das Schlimmste mag zwar geschehen können, aber es muss ja nicht, im Risiko der Entscheidung niemals die Handlungsfähigkeit zu sehr in Frage stellen, denn das Hoffnungsfrohe steckt im Leben selbst.
Die Zeit von 15 Uhr bis 16 Uhr:
Eine starke Stunde, ein Gefühl der Freiheit, Entscheidungskraft braucht nicht den Druck der Mehrheit, aber persönlichen Verstand und durchsetzbares Handeln, vielleicht am Ende im Interesse einer wartenden Mehrheit, eine Entwicklung der Stärke und der Geduld.
Die Zeit von 16 Uhr bis 17 Uhr:
Eine Stunde des Konfliktes, wie steht es mit dem Frieden oder mit der Harmonie? Die Herrschsucht und Habsucht sind doch gar nicht so schlecht, es gilt die hohe Kunst, richtig abzuwägen und zu entscheiden, ohne das innere Gleichgewicht zu zerreißen, vielleicht sind es alles bloß Wahrscheinlichkeiten einer existenziellen Zuversicht, also die Stunde des Konfliktes.
Die Zeit von 17 Uhr bis 18 Uhr:
Eine Stunde des Glücks darf nicht fehlen, aber schnell endet diese Zeit in erfolglosen romantischen Gefühlsduseleien, schon ist das Glück ein tragischer Lebensmoment, in dieser Stunde fehlt der Schutz, Spekulationsblasen zerplatzen direkt vor unseren Augen, Lebensumstände lassen sich nun mal nicht einfach so erwürfeln.
Die Zeit von 18 Uhr bis 19 Uhr:
Sechzig Minuten für die schönen Dinge, die um uns herumschwirren, uns ständig begleiten, nicht nur in dieser einen Stunde, Betrachtungen und Überlegungen für das innere Wertegefühl, für die lebende Seele, die Attraktivität für ein Gesamtbild, nicht bloß als subjektiver Eindruck, ein Schönheitsempfinden als Lebensbild wie die Wahrnehmung zu einem Gesamtkunstwerk, würdevolles ästhetisches Leben.
Die Zeit von 19 Uhr bis 20 Uhr:
Vielleicht die rechte Stunde, um an das Klima, an die Meere und an die geologische Veränderung unserer Heimat, unseres Zuhauses zu denken, leben wir miteinander oder eher gegeneinander, die Welt ist klein, viel kleiner als je gedacht, aber immer noch ein schöner Ort zum Wohnen und Platz für uns alle, wir müssen wollen, eine Abendstunde der Atmosphäre.
Die Zeit von 20 Uhr bis 21 Uhr:
Eine Stunde mit vielen Hindernissen, heftigen Klanggeräuschen und Gedankensplittern, verantwortungsvollem Handeln, niemals nur draufschlagen, der Hammer kann sogar im luftleeren Raum abgebremst werden, doch wirkliche Hindernisse sitzen in der Tiefe, meist im eigenen Kopf, die Splitter fliegen weit von uns, jeder Schlag sollte behutsam und wohlüberlegt eingesetzt werden, es darf in den eigenen Ohren schmerzen aber niemals anders Denkende verletzen, der Hammer ist spitz.
Die Zeit von 21 Uhr bis 22 Uhr:
Ein Zeitmoment der Ohnmacht, Bedrohungen von allen Seiten, wie von Geisterhand wird Angst geschürt, es sind die Momente, Fähigkeiten zu entwickeln, die aus ausweglosen Situationen den nötigen Anker werfen, Entscheidungen des Unterbewusstseins finden Wege, einen Ausweg aus der Ohnmacht entdeckt man doch gerade auch in der Verzweiflung, der Anker muss schwer genug sein.
Die Zeit von 22 Uhr bis 23 Uhr:
Plötzlich an früher denken, wie gut doch alles war, in geschichtlichen Phantasmen ertrinken, im Lauf der Dinge, im Strom der Entfremdung, aber wir konnten es alles so doch nicht wissen und rennen rückwärtsgehend an die Wand, die Zukunft weicht von uns, weil sie so weit weg scheint, früher war das die wohlige Wärme, wir waren Kinder und unsere Augen neugierig weit aufgerissen, früher gab es noch nicht diese dunkle Wand, aber ganz viele Wünsche.
Die Zeit von 23 Uhr bis 0 Uhr:
Eine verirrte Stunde der Macht, der Gefühllosigkeit und der Unwissenheit, ist das so starke Selbst ein doch so schwaches Selbst oder lebt es im Widerstand mit sich selbst im Unverständnis, diese wichtige und persönliche Stunde ist gottseidank auch bald vorbei.
Die Zeit von 0 Uhr bis 1 Uhr:
Eine Stunde wie im Kreis, eine runde Wirklichkeit bis zum Horizont, dem persönlichen Horizont, angestrahlt von den Strahlen der Sinne und dem mystischen Licht des Mondes, niemals nur im Kreise laufen, bis einem schwindelig wird, gerade Linien stets miteinander verbinden, Ordnungen in der Gleichheit entdecken und als wertvoll erkennen, die ganzen Kreise um uns herum sind niemals nur Gewohnheiten im Sinne eines Zeitgeistes, aber im Kreis entstehen Kompromisse für und gegen innere Widerstände, der Kreis kann wachsen.
Die Zeit von 1 Uhr bis 2 Uhr:
Die Zeit der uneingeschränkten Liebe, das Gute begehren und das Schöne umarmen, ein Kuss, der sich aus den Tiefen der Träume heraus befreien will, der Philosoph, der Liebende der Weisheit, versucht die Dunkelheit zu überwinden, er tastet sich auf immer höheren Ebenen fort, der Traum der Erkenntnis, ähnlich dem Verlangen nach Liebe.
Die Zeit von 2 Uhr bis 3 Uhr:
Die Tiefe des Traumes ist eine bedeutende Stunde zum Entdecken verborgener Möglichkeiten, aus diesen Tiefen heraus entwickelt sich das Fundament der Zukunft, denn sie baut auf die Vergangenheit, der Weckruf darf aber nicht überhört werden, ein nie enden wollender Traum kann das Schicksal verändern.
Die Zeit von 3 Uhr bis 4 Uhr:
In dieser Stunde einfach mal Traumtänzer sein, ein enthusiastischer Optimist mit großen Illusionen, ein wahrscheinliches Ereignis von radikaler Hoffnung, nur ein Traum des Mutes?
Die Zeit von 4 Uhr bis 5 Uhr:
Eine Stunde des Alterns, des Vergehens und der Sorge um den Lauf der Welt, aber warum sollten wir uns fürchten, wir schlafen doch, die Geheimnisse bleiben uns erhalten, das ist nicht nur eine Frage des Alters, vielmehr sind es die Rätsel, die uns prüfen, aber wir haben ja unser Traumgeheimnis, das bleibt alterslos.
Die Zeit von 5 Uhr bis 6 Uhr:
Der letzte Traum, Übergangsstunde aus den Tiefen der Rätsel, das Überwinden der inneren Dunkelheit, hoffen auf die Lösungen der aufgetürmten Fragen in Verbindung mit Antworten, die Gedanken möglichst rasch herausstoßen aus den vielen Sackgassen der Zeitfluchtbewegung, mit dann wiedergeöffneten Augen wohl verstehen, es beginnt von vorne, wieder einmal alles von vorne, aber dieses Mal ein wenig anders, die Kreativität lässt es zu und die Wünsche.
Nachdem nun ein neuer Morgen den neuen Tag beginnen lässt, kann in der einen oder anderen Weise alles Erlebte, alles Gedachte wieder von vorne beginnen, die 24 Stunden stehen erneut zur Verfügung, die Einteilung mit Weisheit hat ihre Aufgabe wiederum gefunden, es muss sortiert und abgewogen werden, was ist bedeutend oder unbedeutend, wo gibt es Möglichkeiten oder Chancen auf eine Veränderung, denn alles immer beim Alten zu belassen, ist bestimmt keine sinnvolle Lösung, Alternativen liegen uns vor den Füßen, bücken wir uns. Und da geschieht es, wir greifen und fassen nach der fünfundzwanzigsten Stunde, halten sie fest umklammert in unseren Händen, diese Stunde ist die bedeutungsvolle Zeit für die Besinnung, für den inneren Frieden, den äußeren Frieden, die Zeit, in der die so zerbrechliche Welt Stabilität erfährt, durch uns, wenn wir es wollen, reichen wir uns die Hände und geben diese Stunde weiter, immer weiter, eine Kette entsteht durch ein Zeitgefühl der besonderen Stunde,
eine Kette des Verstandes, Dimensionen einer einzigartigen Welt.
In den vergangenen 24 Stunden – oder eben doch 25 – gab es sicherlich Momente zum Weinen, auch Momente zum Lachen, aber hoffentlich viele Augenblicke zum Denken und zum Nachdenken, denn Gedanken sind die Steine für einen großen Bau von Schönheit, Stärke und letztendlich von Weisheit, somit können mit großer Kraft und Ausdauer die nächsten 24 Stunden beginnen. Sie müssen nicht wieder zwingend um 6 Uhr morgens starten, vielleicht auch erst um die Mittagszeit oder doch lieber um Mitternacht, das wird jeder für sich herausfinden und entscheiden, aber sehr bewusst sollten diese Stunden erlebt werden, fantasievoll und kreativ im Kern und nie ganz ohne Selbsterkenntnis, Gelegenheiten zur rechten Zeit erfassen.
Zum Schluss meiner Zeiten-Zeichnung eine Beobachtung eines kurzen Gespräches:
Ist die Schönheit des Tages immer nur Hochmittag, hörte ich einen Bruder sagen, sollte die Schönheit nicht aber lieber zu allen Zeiten um uns sein, für unser Wohlempfinden?
Das liegt doch aber an dir selbst, hörte ich die Antwort leise gesprochen, wenn du die Schönheit zu einem anderen Zeitpunkt wahrnimmst, dann ist das so, wichtig ist aber, du kehrst rechtzeitig zurück aus deiner Gedankenwelt und bist bereit, das große Bauwerk zu fördern, dazu braucht es keinen festen Zeitplan. Jetzt verstehe ich, gibt der Bruder gelassen zur Antwort, der Maßstab aller Dinge ist das rechte Zeitgefühl.
In diesem Sinne wird uns die Arbeit niemals ausgehen. Sie wird es nicht, zu keiner Zeit.