© aagrarmotive / stock.adobe.com
In der Freimaurerei ist die Drei allgegenwärtig. So gibt es drei Grade, drei Säulen, drei kleine und drei große Lichter, zu Beginn wurde der Einlass durch drei Schläge gewährt, das Dreieck ist eines der wichtigsten Symbole und zu guter Letzt gilt sie als unsere heilige Zahl.
Von Stefan Deutschmann
Zu Beginn soll eine kleine Anekdote stehen, obwohl sich der tiefere Sinn dahinter erst im Laufe meiner Ausführungen erschließen wird. Seit jeher bin ich ein Freund von Harmonie und Struktur, die sich in Zahlen finden und durch jene ausdrücken lassen. Daher hielt ich beispielsweise gerade die Zwei für eine „schöne“ Ziffer. Sie war gerade, teilbar und wirkte auf mich – woher auch immer es rühren mag – beruhigend. Ungerade Zahlen hingegen bewirkten das Gegenteil, sie machten auf mich einen kantigen, unsauberen Eindruck, so beispiels- und ironischerweise insbesondere die Drei. Erst, als ich mich mit der Freimaurerei und der tieferen Bedeutung der Zahl Drei beschäftigte, wurde mir klar, wie wichtig sie ist, wie tiefgreifend und bedeutend. Meine Frau war an dieser Stelle des Lebens scheinbar schon weiter oder hatte einfach einen anderen Deutungshorizont. Im Gegensatz zu mir ist die Drei ihr das Liebste. Sie verbindet sie mit Harmonie, einem gewissen Gleichgewicht und empfindet sie daher alles andere als störend. Letztlich eine Einstellung, die ich mittlerweile teilen kann. Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, war jedoch ein Prozess nötig, den erst die Maurerei in mir in Gang gesetzt hat. Dabei habe ich mich mit den Fragen beschäftigt: Was ist die Drei, was drückt sie für mich aus, wie verbinde ich diese mit Geometrie und Harmonie und wie hat mich die Freimaurerei dazu gebracht, die Drei als etwas anderes zu sehen, als eine reine Primzahl.
In der Freimaurerei ist die Drei allgegenwärtig. So gibt es drei Grade, drei Säulen, drei kleine und drei große Lichter, zu Beginn wurde der Einlass durch drei Schläge gewährt, das Dreieck ist eines der wichtigsten Symbole und zu guter Letzt gilt sie als unsere heilige Zahl. Außerhalb der Loge, in der profanen Welt, finden wir sie ebenfalls an zahlreichen Stellen wieder. In fast allen Religionen findet sich die Trinität, es gibt drei wesentliche Stufen des Lebens, wenn man so möchte, aller guten Dinge sind drei, man macht drei Kreuze, es gibt die Dreifarbentheorie, im deutschen Recht bestehen die Spruchkörper häufig aus drei Mitgliedern und unser Zusammenleben fußt auf den drei Säulen Legislative, Judikative und Exekutive.
Es muss also etwas dran sein, dass die Drei einen Einfluss auf unser Leben zu haben scheint, dem man sich unter Umständen gar nicht bewusst ist. Womit zwangsläufig ein Blick auf Mathematik und Geometrie geworfen werden muss. Hier gibt es die drei Dimensionen, beziehungsweise drei Punkte. Nur mit deren Hilfe ist das Aufspannen einer Fläche möglich und bei der Berechnung von Bahnen stößt man auf das Dreikörperproblem. Interessant wird es, wenn man zweiseitig symmetrische Tiere betrachtet, denn diese entwickeln drei Keimblätter, nämlich Entoderm, Mesoderm und Ektoderm. Es muss also etwas dran sein, dass die Drei über den Dingen zu stehen scheint, diese vollendet oder vollkommen zu machen scheint. Mit zwei Punkten kann man nur eine Linie bilden, kommt jedoch ein Dritter dazu, so entstehen Formen, Flächen, andere Welten.
Rückblickend erscheint meine mir einst so harmonisch anmutende Zwei ihre Anziehungskraft zu verlieren, sie ist einfach zu unvollständig. Erst die Freimaurerei mit ihrer allgegenwärtigen Drei hat mich überhaupt dazu gebracht, darüber nachzudenken. Was aber meine ich mit unvollständig? Kurz gesagt ist die Einteilung des Lebens in ein zweidimensionales System unvollständig, wackelig, geradezu brüchig. Es fehlt, gelinde gesagt, an Stabilität. Es lässt sich keine höhere Erkenntnis erlangen, wenn nur in zwei Dimensionen gedacht wird. Die Einteilung in Licht und Schatten, Leben und Tod, wahr und unwahr ist zu kurz gedacht. So gibt es immer Grauzonen, eine transzendentale Ebene des Bewusstseins und Kompromisse. Es ist die Drei, die allem einen neuen Sinn zu geben scheint. Wie ich eingangs bereits bemerkte, lässt sich aus zwei Punkten nur eine Linie bilden, mit einem dritten Punkt jedoch eine Fläche, eine neue Ebene. Ohne Zweiheit existiert nichts in der Welt. Sie steht für alle Kontraste, Übergänge, Polaritäten und Spiegelungen – Zustände, auf denen unsere weltliche Existenz beruht. Mithin regt die Drei dazu an, über Dinge anders nachzudenken, eine neue Ebene des eigenen Seins zu erreichen – so kann es nicht nur Pro und Contra geben, vielmehr ist die daraus resultierende Erkenntnis das eigentliche Schaffenswerk.
Meine so angestrebte und verehrte Harmonie lässt sich nur erreichen, indem nicht nur das Sichtbare beleuchtet wird. Vielmehr ist es die dritte Betrachtungsweise oder Ebene, die zu Ergebnissen führt. Rückblickend ist dies nur logisch, da auch die Logenarbeit immer wieder in Teilabschnitte gegliedert wird, die der Drei unterliegen. Würde man dies beispielsweise auf die Zwei herunterbrechen, ginge der Zauber verloren, der ihr innewohnt. Behauptete man beispielsweise, es gäbe die Zeit vor dem Tempel und die rituelle Arbeit an sich, hätte man zwar eine konstante Linie, vergisst aber, dass die Arbeit am Ich das eigentliche Ziel ist – es ist ergo die dritte Ebene unseres Zusammenkommens. Anders ausgedrückt hat mich die Freimaurerei gelehrt, sich von der profanen Engstirnigkeit zu lösen, alles in 0 und 1 einzuteilen und sich mehr damit zu beschäftigen, was in den Zwischenräumen liegt. Nicht umsonst sagt man, man solle „zwischen den Zeilen lesen“.
Die Drei steht also für mehr. So kommt ihr auch in der Natur eine besondere Bedeutung zu. Als Beispiel seien Embryonen zu nennen, deren Zellen sich immer nach einem Muster verdoppeln – die Drei kommt hier nicht vor. Marko Roding, Entdecker des Vortex-Musters, brachte dies ebenfalls gut auf den Punkt, indem er herausfand, dass es Zahlenmuster gibt, die sich bis in die Unendlichkeit wiederholen, die Drei kommt jedoch nie vor, sie repräsentiert vielmehr zusammen mit der Sechs und der Neun einen anderen Vektor, eine andere Dimension. So ist es auch die Drei, die den Grundpfeiler für das setzt, was wir Freimaurer als Weisheit, Schönheit und Stärke verstehen, denn diese Prinzipien lassen sich nur durch die Drei bilden, wie der goldene Schnitt, die Fibonacci-Reihenfolge und unzählige weitere Beispiele, die in der Lage sind, die Welt zu erklären, weil sie über das Sichtbare, Profane hinaus gehen.
Für die Schule der Pythagoreer steht die Drei als Symbol der Gerechtigkeit. Sie liegt aufgespannt und sinnlich wirksam vor uns im rechtwinkligen Dreieck und im Winkelmaß. Die drei Säulen im Tempel und die drei großen und kleinen Lichter, die drei Johannisgrade und die stets betonte Dreiheit werden zum tragenden Bestand einer Symbolik, in welcher Gerechtigkeit, Ethik und Moral vergegenwärtigt werden. Die Symbolik ist der vorsichtige und deutliche Hinweis in einem. Das Sinnbild der Gerechtigkeit ist noch nicht die Gerechtigkeit selbst. Von dieser Symbolik lehrt die Freimaurerei. Sie ist die Gegenwart des nicht Gegenwärtigen, jedoch abzüglich aller jenseitiger Komponenten. Symbolik der Gerechtigkeit bedeutet in der Freimaurerei nicht die Besinnung auf das jenseits der Welt thronende Gerechte an sich. Vielmehr erscheint sie in Symbolen der Hoffnung, die das moralisch Vollkommenere erahnen lassen in den unvollkommenen Gestalten des Gegenwärtigen.
Rufen wir uns zum Schluss in Erinnerung, welche Werkzeuge der Lehrling besitzt und was das Ziel des Einsatzes selbiger ist. Es obliegt uns, den rauen Stein zu bearbeiten, wofür uns der 24-zöllige Maßstab und der Spitzhammer zur Hilfe gereicht werden. Wenn man so will, erhält man zwei Gegenstände – weltliche Besitztümer – die es einzusetzen gilt. Des Öfteren habe ich darauf hingewiesen, dass uns die lineare Zwei jedoch nicht voranbringt, sie reicht nicht aus, um „Großes“ zu schaffen. Vielmehr ist sie ohne einen Auftrag mehr oder weniger nutzlos. Hinzu kommt nun jedoch der raue Stein, den es zu bearbeiten gilt, wenn man so möchte, das dritte Objekt unserer Reise, die dritte Ebene, mit und an welcher gearbeitet werden soll und muss. Denkt man darüber nach, man ließe einen dieser drei Gegenstände weg, so wären die zwei Verbleibenden ohne das fehlende Puzzleteil von nur geringem Nutzen. Obwohl sich ein Stein mit dem Spitzhammer behauen ließe, fehlte uns jedoch ein Verständnis für das anzulegende Maß, um Proportionen nachvollziehen und die Zeit mit Weisheit einteilen zu können. Auf der anderen Seite wären auch Stein und Maßstab einzeln betrachtet keine erfolgsgekrönte Komposition, hier mangelt es an dem eigentlichen Bearbeitungswerkzeug. So wird bereits bei banaler Betrachtung für den Lehrling klar, dass er dieser Dinge drei benötigt, um eine Symbiose eingehen und somit letztlich seine Reise, seine Arbeit aufnehmen und in neue Sphären aufbrechen zu können.