Menü

“Freimaurerei ist das beste Schwungrad, das Amerika hat”

© (Quelle: beashrinernow.com)

“Freimaurerei ist das beste Schwungrad, das Amerika hat”

Von Hans Bühler

Wer sich mit der Geschichte der amerikanischen Automobilin­dustrie befasst, kommt um die Freimaurerei nicht herum. Eine ganze Zahl von Unternehmern und hoch­rangigen Angestellten waren auch Brü­der. Hier eine Zusammenstellung, die das verdeutlicht, und eine Überlegung im Hinblick auf die Ethik.

Der Traum, sich ohne menschliche oder tierische Kraft fortzubewegen, muss so alt sein wie die geschriebene Geschichte der Menschheit. Schon Homer soll in der Illias davon erzählt haben. Der Mönch und Alchemist Roger Bacon prophezeite im 13. Jahrhundert ein selbstfahrendes Vehikel, das Leonardo da Vinci zweihundert Jahre später skizzierte. Auch Isaac Newton experimentierte. Damit sind wir auch schon im Dunstkreis der mit ihm entstehenden spekulativen Freimaurerei. Richtig los ging die Entwicklung des Automobils Ende des 19. Jahrhunderts.

„… eine große Schöpfung der Epoche“

Das Automobil ist vermutlich die bedeutendste Entwicklung des letzten Jahrhunderts. Es schuf individuelle Mobilität und technischen Fortschritt, Reichtum und Arbeit. Das Auto ist ein Kulturgut. Als 1955 der legendäre Citroën DS, die «Déesse» (die Göttin), auf den Markt kam, schrieb der französische Literaturkritiker Roland Barthes: „Ich glaube, dass das Auto heute das genaue Äquivalent der großen gotischen Kathedralen ist. Ich meine damit: eine große Schöpfung der Epoche, die mit Leidenschaft von unbekannten Künstlern erdacht wurde.“

Inzwischen wird das Auto als stinkender Einheitsbrei wahrgenommen. Schöne Autos sind — wie ihre Bewunderer — zu Oldtimern geworden. Höchste Zeit, sich daran zu erinnern, dass insbesondere in den USA Freimaurer maßgebend an dieser Erfolgsgeschichte beteiligt waren. Der Einfluss von Freimaurern ist ein Beispiel dafür, wie die Logen in den USA bis weit ins 20. Jahrhundert die besten Männer der Gemeinschaft repräsentierten. Wer etwas war, war auch ein Freimaurer. Sie alle brachten immense Beträge für die Wohltätigkeit zusammen.

Von der Loge in die Fabrik

Allen voran unter den Freimaurern in der Automobilindustrie steht Henry Ford (aufgenommen 1894 in die „Palestine Lodge“ No. 357 in Detroit). Er war einer der bekanntesten und reichsten Männer der Welt und nutzte viel Zeit und Geld für die Wohltätigkeit. Fast 54 Jahre lang war er aktiver Maurer und besuchte seine Loge regelmäßig. Er war auch Ehrenmitglied der ältesten Loge in Michigan, „Zion“ No. 1, und machte zahlreiche Besuche in den Logen um Traverse City/Michigan und Richmond Hill/Georgia, wo er ein Sommerhaus bzw. eine Winterresidenz besaß. Ford attestiert man, dass er Amerika auf die Räder gestellt habe. Passend dazu vermerkte er: „Freimaurerei ist das beste Schwungrad, das Amerika hat, weil Maurer wissen, was sie ihre Kinder lehren müssen.“ Seinen Sohn Edsel führte das Rad zwar nicht in die Loge, aber Henrys Enkel William (Präsident des Autoherstellers Lincoln) und Benson (General Manager der Marke Mercury) wurden zusammen 1950 in die „Corinthian Lodge“ No. 241 in Detroit aufgenommen.

General Motors (GM) wurde maßgebend von Freimaurern geführt. Im „Time Magazine“ vom 20. Mai 1966 war zu lesen: „Die meisten in der Hierarchie von GM gehören derselben Loge an.“ Offenbar gelangte man bei GM erst in die obersten Positionen, nachdem man in einer dafür eingerichteten Loge beobachtet und als geeignet erachtet wurde. Als in den 60er Jahren der Schweizer Gotthard-Autotunnel gebaut werden sollte, wurde dieses Vorhaben von einschlägigen Politikern kritisiert. Direktor Meili von General Motors in Biel wurde in einer Fachzeitung nach seiner Meinung gefragt. Seine Antwort: Bei General Motors äußere man sich nicht zu politischen oder religiösen Fragen.

Eine ganze Phalanx von Autobauern

Im Konzern General Motors waren und sind verschiedene Marken zusammengefasst. Buick ist die älteste. Charles Nash („Flint Lodge“ No. 23, Flint/Michigan) fing dort als Polsterer an und stieg auf bis zum Präsidenten des Unternehmens. Er verließ GM und gründete die Nash Motor Co. (später American Motors). So auch Walter P. Chrysler, dessen Mutterloge nicht bekannt ist). Er war Präsident von Buick und dann Vizepräsident von GM, bevor er seine eigene Chrysler Corp. gründete. Sein Vertrauter und Nachfolger als Präsident und CEO war K. T. Keller („Fellowship Lodge“ No. 490, Flint/Michigan). Random E. Olds („Capital Lodge2 No. 66, Lansing/Michigan) baute die Oldsmobile-Werke auf und war zeitweise der größte US-amerikanische Automobilhersteller. Er verkaufte sein Autowerk an GM. Auch die Marke Chevrolet gedieh dank einiger Brüder Freimaurer an der Spitze prächtig: William Knudsen war zunächst Chef-Ingenieur bei Ford. Das maurerische Licht empfing er 1914 wie Henry Ford selbst in der „Palestine Lodge“. Nach Reibereien zwischen beiden wechselte Knudsen 1921 zu General Motors. Gemeinsam mit dem Verkaufsgenie Harry Klingler („Lodge No. 9 in St. Clair/Michigan) sorgte er dafür, dass Chevrolet ab 1927 den legendären Ford T als meistverkauftes Automobil ablöste. Später wurde Knudsen Präsident von GM. 1941 berief ihn der Präsident und Freimaurer Franklin D. Roosevelt nach Washington als Secretary of War, als Kriegsminister. Sein Nachfolger als Präsident des Konzerns wurde Charles Wilson („Fellowship Lodge“ No. 681 in Anderson/Indiana). Klingler wurde später Vizepräsident von Chevrolet und Pontiac. Charles Stewart Mott („Faxton Lodge“ No. 697 In Utica/N.Y.) verkaufte seine bedeutenden Zuliefer-Fabriken an GM und war dort Vize-Präsident. Die 1926 gegründete „Mott Foundation“ zur Unterstützung von Jugendlichen ist bis heute landesweit für ihre Großzügigkeit bekannt.

Neben den „big three“ – GM, Ford, Chrysler – gab es etliche unabhängige kleinere Hersteller, die von Freimaurern geleitet wurden: John Willys, der Vater des legendären Jeeps („Barton Smith Lodge“ No. 613 in Toledo), Harry Stutz („Ancients Landmark Lodge“ No. 319, Indianapolis) und Eddie Rickenbacher („Kilwinning Lodge“ No. 297, Detroit).

Die Situation in Europa

Von den bekannten europäischen Autobauern ist die Mitgliedschaft von André Citroën in der Freimaurerei bekannt: Er war seit 1904 Mitglied der Pariser Loge „La Philosophie Positive“. Man hat die übereinandergelegten Winkel im Firmensignet als freimaurerisches Symbol gedeutet. Das stimmt aber nicht. Es weist auf eine Spezialität von Citroën hin: durch schräges Anschleifen und Anwinkeln der Zahnräder wurde das Schalten der Gänge erleichtert.
Die englische Automobilindustrie wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Sir William Morris geprägt. Er war während über 60 Jahren bis zu seinem Tode 1963 engagiertes Mitglied der „Alfred Lodge“ No. 340 in Oxfordshire. Mit 16 eröffnete er im Gartenhäuschen seines Vaters eine Fahrrad-Reparaturwerkstatt, und es entstanden bald die ersten MG (Morris Garage) und Morris Personenwagen. Seine von Ford inspirierten Produktionsmethoden und seine Vision machten ihn zum erfolgreichsten englischen Automobilproduzenten. Er übernahm die Werke der zahlungsunfähigen Hersteller Wolseley und Riley und wurde 1952 durch die Fusion mit Austin zum Chairman der so entstandenen British Motor Corp. William Morris gilt mit seiner 1943 gegründeten „Nuffield Foundation“ als einer der größten Philanthropen Großbritanniens. Dank seiner immensen Leistungen wurde er als Viscount, Baron und Lord Nuffield geadelt. 2020 haben Freimaurer mit Benzin im Blut und einem Oldtimer in der Garage die „Sir William Morris Masonic Lodge“ No. 10003 gegründet.

Und die Ethik?

Von etlichen dieser Titanen sind eindrückliche Zeugnisse freimaurerischer Bekenntnisse und Taten überliefert. Sie sind abgetreten. Heutige Manager landen bisweilen wegen Betrugsverdachts im Gefängnis. Vielleicht war es doch keine schlechte Idee, die ethische Gesinnung zukünftiger Chefs zunächst in einer Loge zu testen.

Dieser Beitrag stammt aus dem Heft 1-2021 der HUMANITÄT, dem deutschen Freimaurer-Magazin. Das Heft kann bei der Kanzlei abonniert werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in „Alpina“, dem Magazin der Schweizerischen Grossloge Alpina, Heft 1/2020.