Sprachbilder, wie wir Metaphern üblicherweise wiederum mit einer Metapher umschreiben, sind allgegenwärtig. Sie sind in unserer Sprache sehr viel stärker präsent, als uns im Allgemeinen bewusst ist.
Vortrag auf der 55. Arbeitstagung der Forschungsloge „Quatuor Coronati“, Mannheim, 9./10. März 2019
Hans-Hermann Höhmann, Köln, Ehrenvorsitzender der Forschungsloge „Quatuor Coronati“
Wer immer nachdenkt, strukturiert den Kosmos seines Bedeutungsuniversums durch Metaphern, das heißt, er verwendet Metaphern bereits bevor er mit anderen über Inhalte und Ergebnisse seines Denkens kommuniziert. Unser gesamtes alltägliches Konzeptsystem, auf dessen Grundlage wir sowohl denken und sprechen als auch handeln, ist im Kern metaphorisch, und so wird verständlich, warum George Lakoff und Mark Johnson ihr, die neuere Metaphern-Forschung in hohem Maße inspirierendes gemeinsames Hauptwerk „Metaphors We Live By“ genannt haben, deutscher Titel „Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern“.
Metaphern in der Freimaurerei
Was bedeutet der Komplex „Metapher“ für uns Freimaurer der Gegenwart? Warum behandeln wir ihn auf einer Tagung der Forschungsloge? Welche Rolle spielt er für unsere Kommunikation mit der Öffentlichkeit?
Das sind die Fragen, die mich in meinem Vortrag beschäftigen.
lm Zentrum des Freimaurerbundes stehen für uns Ideen, Ideale und Konzeptionen, mit denen wir Wesen, Strukturen und Ziele der Freimaurerei in eine Sprache fassen, die weitgehend metaphorisch ist, und die in unseren Symbolen und Ritualen ihre Entsprechung findet. Für mich sind dies in erster Linie die Werte des Humanismus und der Aufklärung. Die wichtigsten Begriffe davon sind uns vertraut: Humanität, Brüderlichkeit, Toleranz, Freiheit, Gerechtigkeit und Friedensliebe. Wenn wir uns über Ziele, Werte und Leitvorstellungen der Freimaurerei verständigen, wenn wir in der Loge und mit der Öffentlichkeit darüber kommunizieren, dann zeigt sich immer wieder, dass auch unsere Sprache ohne Sprachbilder, ohne Metaphern nicht auskommt, ja dass im Grunde genommen der gesamte Charakter der Freimaurerei, der nicht zuletzt in der symbolischen Übertragung von Bauwerkzeugen auf die moralische Welt besteht, metaphorisch ist. Doch auch bereits vor der Entstehung der modernen Freimaurerei hatten Metaphern in der Welt der Bauhütten eine große Bedeutung, ist doch ohne die Lichtmetapher der gotische Kathedralenbau nicht denkbar.
Da die Metaphern der Freimaurerei mit ihren Konzepten zusammenhängen, können wir mit Lakoff/Johnson auch im masonischen Kontext von konzeptuellen Metaphern sprechen, die teilweise unbewussten Charakter haben, Wesen und Struktur der Freimaurerei teilweise aber auch bewusst zum Ausdruck bringen und unserer Orientierung nach innen und außen dienen. Die konzeptuellen Metaphern der Freimaurerei haben den Charakter von Frames, von Rahmen, die ganze Wissensbestände vom Herkunftsbereich der Symbolik in den Zielbereich der praktizierten Freimaurerei übertragen und dort neue Denk- und Handlungsmöglichkeiten schaffen. Man kann daher auch von ihrem Brückencharakter sprechen, denn sie verbinden Konzepte mit Symbolen und sind auf diese Weise in die masonischen Rituale eingegliedert, deren Texte ja weitgehend aus Metaphern bestehen. Dauernd erfolgen Transferbeziehungen in zwei Richtungen: Einerseits führt der Weg vom Konzept zur Metapher, dann weiter über die Symbolik ins Ritual. Andererseits verbindet die rituelle Praxis Symbole mit Metaphern, die dann von Konzeptionen vermittelt zum Denken und Handeln des Freimaurers führen. Oder anders ausgedrückt: Wir beginnen mit Praxis und werden zur Praxis zurückgeführt, und das Wesen der Freimaurerei besteht weitgehend in der Dialektik ihrer symbolisch-metaphorischen und ihrer tatsächlichen Formen von Praxis.
Mythen, Metaphern und Systeme
Doch spätestens an dieser Stelle setzen Probleme ein, denn die konzeptionellen Grundlagen der Freimaurer stimmen ja – auch in diesem Kontext dürfen wir nicht daran vorbei denken – von masonischem System zu masonischem System nicht überein. Es gibt ja nicht die Freimaurerei (im Singular), sondern nur die Freimaurereien (im Plural). Dies hat verschiedene historische Ursachen und ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich die konkreten maurerischen Systeme auf dem Hintergrund divergierender Mythenstränge entwickelt haben.
Wenn wir uns die Mythen anschauen, um die herum sich die Freimaurereien in den vergangenen Jahrhunderten seit 1717 entwickelt haben, so stoßen wir insbesondere auf drei Erzählstränge, die sich zwar oft vermischt haben, die sich aber trotzdem voneinander unterscheiden, ja sich widersprechen können:
- die hermetisch-esoterischen Erzählungen von uralter Weisheit und geheimnisvollen symbolischen Codes, die in den Logen entschlüsselt werden können,
- die gnostisch-christlichen Erzählungen von der Nachfolge Jesu, des Obermeisters des Freimaurerordens sowie
- die humanistisch-aufklärerischen Erzählungen vom Menschen und seinen mitmenschlichen Pflichten im hier und jetzt, die einzuhalten die Freimaurerei den Bruder lehrt.
lm Verständnis nach Innen aber auch im Auftreten der Freimaurer gegenüber der Öffentlichkeit gehen diese Erzählstränge – die ja zu sehr verschiedenen Formen von Freimaurerei im Hinblick auf Konzepte, Symbole und Metaphern geführt haben – oft unreflektiert und verwirrend durcheinander. Und dieses Durcheinander der Mythen begegnet uns dann wieder in den Geschichten, die andere über uns erzählen. Und hier liegt die Wurzel vieler unserer Probleme. Wir werden missverstanden, weil wir selber nicht so richtig wissen, wer und was wir eigentlich sind.
Es wäre nun interessant zu untersuchen, wie sich die konzeptuelle Metaphorik der verschiedenen Spielarten von Freimaurerei voneinander unterscheidet. Und es wäre gleichfalls spannend, die Prozesse aufzuzeigen, durch die sich die Metaphernwelten der einzelnen Freimaureien unter dem Einfluss politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen verändert haben, wenn beispielsweise die Lichtmetapher in der völkischen Freimaurerei der späten 20er und frühen 30er Jahre weithin einen neuheidnisch-arischen Charakter angenommen hat, die einer veränderten freimaurerischen Sinnstiftung dienen sollte. Hier sind noch viele Fragen offen, und es existiert ein umfangreicher Forschungsbedarf.
Die Metaphern der Humanistischen Freimaurerei
Ich muss mich heute allerdings thematisch beschränken, und so möchte ich mich im folgenden Teil meines Beitrags mit der in der Tradition von Humanismus und Aufklärung stehenden Humanitären Freimaurerei beschäftigen, mit der ich ja in Forschung und Praxis besonders verbunden bin. Dabei möchte ich versuchen aufzuzeigen, wie es in dieser Form von Freimaurerei um die Wirkungskette Konzept – Metapher – Symbol – Ritual strukturell und inhaltlich bestellt ist.
Mein Konzept der Humanistischen Freimaurerei ruht auf allesamt aus der Geschichte der Freimaurerei ableitbaren vier Säulen.
- Freundschaft und Geselligkeit,
- ethische Orientierung und moralische Praxis,
- Arbeit mit Symbolen und Ritualen,
- Bewährung als Einübung in Lebenskunst.
Zu den bewusst gewählten konzeptuellen Metaphern der Humanistischen Freimaurerei gehören für mich in erster Linie vier Gruppen von Metaphern oder auch Metaphernfelder, die einerseits mit den Konzepten der Humanistischen Freimaurerei korrespondieren und andererseits in entsprechenden Einzelsymbolen und symbolischen Handlungen Ausdruck finden. Ich unterscheide die Metaphernfelder „Licht“, „Wandern“, „Bauen“ und „Liebe“, verweise auf die jeweilige Metaphernstruktur und versuche mitzuteilen, zu welchen Sinnstiftungen und Konzepten freimaurerischer Praxis mich diese Metaphernstruktur zurückführt. Dabei ist allerdings stets festzuhalten, dass das Ritual keine bloße Aneinanderreihung von Metaphern ist, dass die freimaurerischen Metaphern vielmehr in die performative Gesamtstruktur des Rituals eingebunden sind.
Das Metaphernfeld „Licht“
Ich beginne mit Bemerkungen zum Metaphernfeld „Licht“ mit den uns allen vertrauten Metaphern, die um Licht, Aufklärung und Erleuchtung kreisen, teils mehr rational (im Sinne von „Aufklärung“), teils mehr spirituell (im Sinne von „Erleuchtung“) konnotiert.
Es fällt nicht schwer, Metaphern des Lichts in unserem Lehrlingsritual aufzufinden:
„Wir wollen unser Herz gegen das Licht richten.“ „Lasst uns die Werkstätte völlig erleuchten, auf dass wir im klarsten Licht unsere Arbeit beginnen.“„Hüten Sie sich vor allen Lehren, welche das Licht des menschlichen Denkens nicht ertragen.“„Licht zu erlangen, sei stets Ihr tiefstes Bestreben.“„Meine Brüder, helft mir, unserem neu aufgenommenen Bruder das Licht zu geben.“
Innerhalb der freimaurerischen Symbolwelt veranschaulicht die Lichtsymbolik den transzendenten Bezug des Freimaurers, den Anker seiner Verantwortung und die Quelle seiner Hoffnung. Licht symbolisiert Lebenskraft und Lebensgrundlage, Sicherheit und vertrauenswürdige Ordnung. In allen kulturellen Systemen hat die Lichtsymbolik ihren festen Platz. Sie kennzeichnet, oft konkretisiert in den Bildern der sinnlich erfahrbaren Lichtträger – Sonne, Mond, Sterne, Blitz und Feuer – Mythen und Kulte und gelangt als zentraler Bestandteil der masonischen Bilderwelt auch in das freimaurerische Ritual.
Licht ist das wichtigste Medium der Spiritualität. Licht steht aber nicht nur für Spiritualität, sondern auch für Aufklärung, für den menschlichen Akt der Wahrheitserkenntnis, dafür, dass der Maurer – so will es das Ritual – sich vor Lehren hüten soll, die das Licht der Vernunft nicht aushalten. ln der Sprache des Rituals: „Was das Licht für die Augen, das ist die Wahrheit für den Geist des Menschen. Unwissenheit und Vorurteil verhalten sich zur Wahrheit, wie Finsternis und Dunkel zum hellen Tag.“
Es ist diese ausgreifende Bedeutung des Lichts als komplexes Symbol für Lebensquelle, Lebenskraft, moralische Wegweisung und Suche nach Wahrheit, welche die „Lichtgebung“ zum zentralen Bestandteil des Aufnahmerituals und die „Lichteinbringung“ zum Kern der rituellen Einsetzung einer Loge oder der Einweihung eines neuen Tempels macht.
Die Beziehungen zur freimaurerischen Praxis sind leicht erkennbar: Redlichkeit und Wahrhaftigkeit werden angemahnt, der Verzicht darauf, als Wahrheit auszugeben, was eigenes Vorurteil ist. Die Loge will – auch dies ist Grundlage des Rituals – „eine sichere Stätte sein für alle, die Wahrheit suchen“. Wohlgemerkt, für die, die Wahrheit suchen, nicht für die, die meinen, universelle Heilsrezepte zu besitzen und ewige Wahrheiten zu verwalten. Hier ist an ein Wort und eine Warnung Lessing zu erinnern, dass nicht die Wahrheit, sondern die Mühe der Wahrheitssuche den Wert des Menschen ausmacht, und dass „nicht der Irrtum, sondern der sektiererische Irrtum, ja sogar die sektiererische Wahrheit das Unglück der Menschen machen oder machen würden, wenn die Wahrheit eine Sekte stiften wollte“.
Das Metaphernfeld „Wandern“
Zweitens Bemerkungen zum Metaphernfeld „Wandern“ mit Metaphern des Wanderns, des Reisens, der Veränderung, des Übergangs: „Die Reisen, welche Sie nun unternehmen, sind Bilder des Lebens.“ „Noch ist der Suchende fern vom Ziel. Mühsam ist der Weg. Lassen Sie uns mutiger vorwärtsschreiten.“ „Der Lehrling muss lernen, im Tempel zu gehen.“ „Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben.“
Die Symbolik des Wanderns veranschaulicht den besonderen Charakter der menschlichen Lebensreise. Wandermythen gehören zu den uralten Bestandteilen menschlicher Bewusstwerdung. Wanderepen wie Homers Odyssee erzählen nicht nur das Schicksal von Helden. Sie bezeugen auch die Bestimmung des Menschen, Wanderer zu sein. Auch eine moderne Filmgattung bestätigt immer wieder einen archaischen Befund: Das menschliche Leben ist ein Roadmovie. Der Mensch ist unterwegs, er muss aufbrechen, er verändert sich, er hat Altes hinter sich zu lassen und selbst, wenn er zum Ausgangspunkt zurückkehrt, ist er verändert und hat die Chance, die Veränderung produktiv an sich selbst zu erleben. Rainer Maria Rilke hat dieses „Zurückkehren, aber doch Verändertsein“ bekanntlich in die schöne Metapher vom „Leben in wachsenden Ringen“ gefasst:
„lch lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.“
Die symbolischen Reisen, die der Freimaurer als Suchender, Lehrling oder Geselle unternimmt, gehören zu den wichtigsten Formen performativen Handelns im Ritual, dessen performativer Charakter – wie der Ritualforscher Christian Wulf betont – sehr wesentlich „über die Inszenierung und Aufführung der Körper der beteiligten Menschen“ Ausdruck findet.
Freimaurerei hat mit Wanderungen vielerlei Art zu tun: der Aufnahmekandidat wandert zum Licht, der Lehrling macht „Gesellenreisen“, der Geselle wandert – konfrontiert mit der Unabänderlichkeit des Todes – auf dem Weg zur Meisterschaft, und auch für den Meister wird das „Wandern zwischen Sternen und Gräbern“ immer wieder zu Erlebnis und Anstoß.
Rahmen des Wanderns durch die sich durch Wiederholung von Mal zu Mal vertiefenden rituellen Erlebnisse ist das System der drei freimaurerischen Grade Lehrling, Geselle und Meister. Für mich lässt sich dieser Rahmen durch zusätzliche Ritual-erfahrungen nicht sinnvoll erweitern. Die Wandersymbolik hilft erkennen, dass es sich bei den Ritualen der Freimaurer nicht um Verkündigungsrituale oder Rituale der Manifestation nicht zu hinterfragender Überzeugungen handelt, sondern um Erprobungsrituale oder Rituale der Suche, die schrittweise Erkenntnis und korrigierbares Lernen verdeutlichen, was zugleich bedeutet, dass freimaurerische Rituale bei aller Konstanz ihrer Form „offene“ und keine hierarchisch vermittelten Rituale sind – oder doch sein sollten.
Leben als Wandern zu verstehen, ist auch den Gedanken und Bildern anderer Denksysteme und Ausdrucksformen von Kultur eigen. Die Anschaulichkeit und Intensität der sinnlichen Erfahrung der freimaurerischen Rituale wird allerdings nur selten erreicht. Das freimaurerische Brauchtum ist nun einmal sowohl durch eine besonders sinnreiche Ritualstruktur als auch durch eine besonders eindrucksvolle gruppendynamische Qualität des Ritualvollzugs geprägt.
Metaphernfeld „Bauen“
Nun Bemerkungen zum Metaphernfeld „Bauen“ mit Metaphern des Bauens, des Entwerfens, der Arbeit, der Praxis. Wiederum dazu in ununterbrochen metaphorischer Sprache unser Ritual: „Lasst uns an die Arbeit gehen, Brüder, und die Werkzeuge zur Hand nehmen“. „Wir bauen den Tempel der Humanität.“ „Die Bausteine, deren wir bedürfen, sind die Menschen.“ „Der rauhe Stein ist das Sinnbild des Lehrlings. Er bezeichnet die rohe Form, welche der Bildung und Veredelung bedarf.“
Die Metaphern des Bauens umreißen Inhalt und Ziel unserer Arbeit: Freimaurer bauen am Tempel der Humanität. Sie verstehen Sein und Zeit als sinnvoll zu gestaltende Bauwerke. Sie gehen davon aus, dass ihrem Bauen eine wertgebundene Bauidee zugrunde liegt, die sie – ohne jede inhaltliche Bestimmung, fern ab von der Dogmatik eines kreativen Designs und ohne, dass die Loge zur religiösen Vereinigung wird – mit dem Symbol eines universellen Großen Baumeisters umschreiben.
Gewiss, wir bauen ein Fenster zur Transzendenz, denn „über sich“ hinaus zu schauen ist eine Grundbefindlichkeit des Menschen. Doch was der Maurer sieht, wenn er durch dieses „Fenster“ blickt, ist innerhalb und außerhalb der Loge sein Geheimnis, das ihm durch seine Philosophie oder Religion und nicht durch die Freimaurerei vermittelt wird. Es wäre schamlos, den Bruder danach zu fragen, und es wäre anmaßend, am Inhalt seiner Überzeugungen Anstoß zu nehmen, so lange sie mit den im Konsens der Freimaurer gefundenen Wertvorstellungen übereinstimmen und der Bruder sie nicht selbst mit Freimaurerei vermischt und verwechselt.
Grundlegend für die freimaurerische Bausymbolik ist, dass wir uns selbst als Bausteine verstehen, deren Auftrag und Schicksal es ist, den Weg vom rauen zum behauenen Stein zu nehmen, lebenslang und unabweisbar, aber mit der Hoffnung auf Gelingen und auf der festen Grundlage eines positiv-optimistischen Menschenbildes. Wir bauen eine Heimat für Menschen, eine Heimat, die nicht nur am großen Entwurf des Tempelbaus orientiert ist, die vielmehr – wiederum metaphorisch ausgedrückt – vor allem im tagtäglichen Bemühen, um menschenwürdige Wohnverhältnisse in den Alltagsgehäusen unserer Mitmenschen ihren Ausdruck zu finden hat.
Bauen und Wohnen gehören zusammen. Philosophen ganz unterschiedlicher Ausrichtung wie Martin Heidegger, Ernst Bloch und Otto Friedrich Bollnow, aber auch philosophierende Schriftsteller wie Antoine de Saint-Exupéry haben betont, dass der Mensch wesensmäßig ein Wohnender ist, der baut, um beheimatet zu sein. Für Bloch ist „Bauen“ ein Produktions-versuch menschlicher Heimat, und Heidegger formulierte im Rahmen des vielbeachteten „Darmstädter Gesprächs“ zum Thema „Mensch und Raum“ im Jahre 1951: „Das Wesen des Bauens ist das Wohnen lassen. Der Wesensvollzug ist das Errichten von Orten durch das Fügen ihrer Räume. Nur wenn wir das vermögen, können wir bauen. Das Wohnen aber ist der Grundzug des Seins.“
Das „Nicht-Wohnen-Können“ umgekehrt, die Obdachlosigkeit, das heimatlose Asyl verletzt zutiefst die Würde der davon betroffenen Menschen, nicht nur, weil der Besitz einer Wohnung eine elementare Notwendigkeit für physisches menschliches Überleben ist, sondern auch, weil Haus und Wohnung ganz spezifische kulturelle Identitäten stiften, über die zu verfügen gleichfalls ein Grundanliegen der Menschen ist. Seitdem der Mensch Mensch ist, hat er gebaut, wenn auch das Maß des Menschlichen dabei oft verfehlt worden ist.
Nicht nur einzelne Menschen, auch Gemeinschaften sind auf Raum und Heimat, d. h. auf
Verwurzelung an festen Orten angewiesen. Für Logen gilt dies sogar in einem gesteigerten Maße. Ihre Lebenskraft, ihre rituelle, soziale und kulturelle Entfaltung, die sichere Gelassenheit, mit der sie neue Menschen anzusprechen in der Lage sind, all das hängt davon ab, ob sie Räume besitzen, die Heimat konstituieren. Und von dieser Heimat, diesem Heim her, macht es für uns Freimaurer auch heute noch Sinn, vom „Geheimnis“ zu sprechen.
Das Metaphernfeld „Liebe“
Viertens schließlich Bemerkungen zum Metaphernfeld „Liebe“ mit Metaphern der Mitmenschlichkeit, der Zusammengehörigkeit, der brüderlichen Liebe und der Universalität dieses Miteinanders: „Schöne reine Menschenliebe, Brüderlichkeit aller ist der Mörtel des Tempelbaus.“ „Der Zirkel ist Sinnbild der brüderlichen Gemeinschaft, der den Freimaurer mit allen Menschen verbindet.“ „Die Freimaurerei ist allgemein, sie erstreckt sich über den ganzen Erdboden, und alle Brüder machen nur eine Loge aus.“ „Wir bilden die Kette der brüderlichen Eintracht.“ „Vor allem übt brüderliche Liebe. Sie ist Grundstein und Schlußstein, Kitt und Ruhm unserer alten Bruderschaft.“
Die Metaphern der Liebe bringen zum Ausdruck, dass Freimaurerei menschliches Miteinander bedeutet. Und zwar – wie wir von Lessing gelernt haben – kein Miteinander von Menschen mit besonderen Seinsweisen in nationaler, ständischer und religiöser Hinsicht, sondern ein Miteinander von Menschen als „bloßen“ Menschen, Menschen, denen es – so Lessing im Nathan – „genügt ein Mensch zu sein“.
Damit sich Freimaurerei als menschliches Miteinander ereignet, ist freilich immer wieder der Mut zu einer wirklich umfassenden Begegnung erforderlich. Für den Mitmenschen Sorge tragen, Verantwortung, Respekt und Wissen um einander als Aufgaben ernst zu nehmen und tatsächlich zu praktizieren, hiervon vor allem hängt die Glaubwürdigkeit unseres Bundes ab. Andererseits: Wir geben nicht nur, wir bekommen auch. Wir gehen nicht allein, wir handeln gemeinsam, wir erfahren Rat und Hilfe von anderen. Aber es bleibt dabei: Wir müssen Acht haben auf unseren Umgang miteinander, damit es wirklich zu dem kommt, was wir mit unserem Bruder Wolfgang Amadeus so gern besingen: „Unsrer Freundschaft Harmonien dauern ewig, fest und schön.“
Offene Fragen und Forschungsaufgaben
Zum Abschluss meines Beitrages einige Folgerungen und Hinweise auf offene Fragen:
Erstens: Der metaphorische Charakter der Freimaurerei erfordert gründliche Überlegungen über das, was ich als das Gestaltungsdreieck der Freimaurerei bezeichnet habe, über die Beziehungen zwischen Konzept, Metapher und Symbol. Freimaurerei ist ein Gesamtkunstwerk, das inhaltliche Ideen, sprachliche Ausdrucksformen, symbolische Abbildungen und performativen Ritualvollzug miteinander verbindet. Unsere Ideen finden Ausdruck in unseren Ritualen. Ihre Sprache steht in einem engen Zusammenhang mit unseren Symbolen und hat selbst symbolischen Charakter. Dies macht die freimaurerische Metaphorik einerseits in besonderem Maße für das im Ritual übliche performative Sprechen und Handeln geeignet, lässt andererseits aber kaum zu, dass die Metaphorik des Rituals unvermittelt und direkt in der nicht-rituellen, vor allem der öffentlichen Kommunikation eingesetzt wird. Das könnte schlicht oberflächlich, pathetisch und leer wirken. Der Freimaurer sollte daher mit seinen Metaphern wohldosiert umgehen und versuchen auf ihrer Grundlage zunächst und vor allem ein vertieftes Nachdenken zu erreichen, dessen Resultate sich nicht blamieren, wenn sie aus unseren Gedankenwelten wiederauftauchen und in unsere Diskurse Eingang finden.
Zweitens: Die Zahl sinnvoller konzeptueller Metaphern innerhalb der Freimaurerei – insbesondere in einer humanitären Freimaurerei, einer Freimaurerei, die in der Tradition von Humanismus und Aufklärung steht – ist begrenzt, und so macht es inhaltlich, aber auch im Hinblick auf ihre metaphorischen, performativen und symbolischen Sprachformen in meiner Sicht keinen Sinn, die Metaphernbereiche der Freimaurerei beliebig zu erweitern. Die Metaphern unseres Rituals sollen den Kern des Konzepts „Freimaurerei“ beschreiben, in meiner Sicht das Konzept einer humanistisch orientierten Freimaurerei. Deshalb gilt es auf die Konsistenz der freimaurerischen Metaphernfelder zu achten, und – soweit das Ritual nicht ohnehin einer solchen Konsistenz entspricht –, mit behutsamen Anpassungen der Rituale zu reagieren. Insbesondere dann sind Korrekturen erforderlich, wenn die Sprachform der Metapher nicht mehr dem zugrundeliegenden Konzept entspricht und keine überzeugende Sinnzuschreibung ermöglicht.
Drittens: Metaphern sind wesentliche Elemente der freimaurerischen Rituale, machen jedoch keineswegs ihre Gesamtheit aus. Wesentlich für das rituelle Geschehen sind vor allem auch die Körperinszenierungen, die weithin durch ihren performativen Charakter geprägt sind. Dies gilt insbesondere für die Initiationen (Aufnahmen) und die Übergänge von Grad zu Grad (Beförderungen, Erhebungen). Weiter hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die in den Ablauf des Rituals eingefügte Musik und die „Zeichnungen“, das heißt, die in das Ritual eingefügten kürzeren oder längeren Vorträge. Beides, Musik und Zeichnungen, sollten den Fluss des Rituals stützen und bereichern, nicht aber eine zu starke Eigenwirkung entfalten, ja, es wäre zu überlegen, ob nicht bei Aufnahmen, Beförderungen und Erhebungen ganz auf Zeichnungen verzichtet werden sollte. Nach meinen Beobachtungen sind diese oft zu lang, thematisch nicht stimmig und wirken sich insbesondere auf die innere Beschäftigung des Initianden mit dem rituellen Geschehen negativ aus.
Viertens: Es ist meines Erachtens durchaus lohnend, die Arbeit an Konzept, Symbol und Ritual zukünftig mit einem Ausbau der bisher vernachlässigten Arbeit an der freimaurerischen Metaphorik zu verbinden. Dies ist ja ein bisher weithin brachliegendes Feld, dem sich auch das Ritualkollegium unserer Großloge bisher kaum angenommen hat. Und nichts spricht dagegen, diese Arbeit im Rahmen eines erweiterten Diskurses in Angriff zu nehmen, an dem auch die Schwestern Freimaurerinnen mehr als bisher beteiligt sind. Ich habe im Kontext Ritual und rituelle Sprache viel von meinen Schwestern gelernt und möchte ihre analytische Sensibilität auch, ja gerade beim Komplex Metapher nicht missen.
Insgesamt: Das Thema ist spannend, und es lohnt sich, analytisch auf die Reise zu gehen.
Und so schließe ich mit einem Appell des Aufbruchs, den der Genueser Weltbefahrer Friedrich Nietzsche in einer Seefahrtsmetapher verpackt hat und auf den ich bei der Lektüre von Hans Blumenbergs schönem Metaphernbuch „Schiffbruch mit Zuschauer“ gestoßen bin:
„Auch die moralische Erde ist rund“ – so der Seefahrer Nietzsche –, „es gibt noch eine andere Welt zu entdecken – und mehr als eine.
Auf die Schiffe, ihr Philosophen!“
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