Gedanken zur Ausgestaltung öffentlicher freimaurerischer Trauerveranstaltungen
Von Klaus Horneffer
Zu den schwierigsten Aufgaben für einen erwachsenen Menschen gehört es, einen Kondolenzbrief zu verfassen. Angesichts des Ereignisses ist fast jedes Wort falsch. Einem wirklich Leidtragenden kann von außen kaum Trost geschenkt werden. Der eher abseits stehende Freund kann nur versichern, dass der Hinterbliebene in seinem Verlust nicht allein gelassen ist, und hoffen, dass diese zurückhaltend formulierte Botschaft ankommt.
Damit ist schon das entscheidende Wort gefallen: Zurückhaltung. Wer der Kraft eines gemeinsamen Gebetes vertraut, wie es der Geistliche tun muss, hat es leicht. Ein Pastor, der sich nach dem Eisenbahnunglück von Eschede um traumatisierte Zeugen kümmerte, wurde gefragt, wie man denn Trost spenden könne. Am ehesten helfen Rituale, erklärte der Kirchenmann, wie etwa das Entzünden von Kerzen. Das kann der Freimaurer verstehen: Erkennen durch Erleben.
Selbstbeschränkung und Bescheidenheit ist das charakteristische Merkmal eines freimaurerischen Rituals, das man im besten Sinne humanitär nennen kann. Von der Überzeugung getragen, dass eschatologische Formeln hier keinen Platz haben dürfen, ist das gültige Ritualwerk unserer Großloge ausgestaltet worden. Es schränkt niemanden hinsichtlich seiner Weltanschauung ein und stört keinerlei Bindung an irgendeine Glaubensgemeinschaft.
Obwohl unsere Großloge bei der Abfassung einer Empfehlung für öffentliche freimaurerische Trauerveranstaltungen den Ritualbegriff vermieden hat, um den eher freiwilligen Charakter der Vorlage zu betonen, ist doch andererseits klar, dass es sich um einen kultischen Vorgang handelt. Das erstmals 1983 erschienene Heft trägt den Titel „Öffentliche Trauerfeier nach freimaurerischem Brauchtum“.
Auf den besonderen Charakter solcher Feiern weist der damalige Großmeister der Großloge der Alten Freien und Angenommen Maurer von Deutschland, Br. Kurt Bornschein, in seinem Geleitwort hin: „Ich mache … ausdrücklich darauf aufmerksam, dass bei Änderungen oder Zusätzen sehr behutsam vorzugehen ist, damit freimaurerische Form und Sinn erhalten bleiben. Bei einer Zeremonie, an der Außenstehende teilnehmen, ist die Verantwortung für eine schlichte und doch würdevolle Gestaltung besonders groß.“
Leider konnte nicht jede öffentliche freimaurerische Trauerfeier, die ich in den seitdem vergangenen dreißig Jahren miterlebt habe, diesem Anspruch genügen. Immer wieder haben Logen, die die Feier durchführten, den Wunsch verspürt, Texte hinzuzufügen, die im kirchlichen Raum passen mögen, aber im freimaurerischen Kontext völlig unangemessen sind. Vielleicht meinten die Brüder, es bedürfe eines stärkeren Pathos. Aber Anlehnungen an religiöse Aussagen sind in unserer Großloge fehl am Platze. Es gibt bei uns keine Auferstehungslehre, selbst wenn gern vom „Übergang in eine andere Welt“ oder von „Abberufung zu höherer Arbeit“ und vom „Ewigen Osten“ gesprochen oder geschrieben wird. Solche Euphemismen werden oft unbedacht benutzt. Ich fühle mich selbst nicht ganz unschuldig, weil ich als Großmeister solche Wendungen in Todesanzeigen zugelassen habe. Man sollte sie jedoch lieber vermeiden. Die christlich geprägten Großlogen mögen tun, was sie für richtig halten. Die Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer ist hingegen anders aufgestellt.
Ich habe manche Trauerfeier erlebt, die sich durch einen bemerkenswerten Nekrolog auszeichnete. Dies war besonders dann der Fall, wenn eine dem Verstorbenen nahestehende Person sprach, etwa ein Familienangehöriger. Eine solche Rede bereitet der Trauerversammlung zuweilen tiefgehende und unvergessene Erlebnisse. Bei einer freimaurerisch gestalteten Trauerfeier sollte das Hauptgewicht ebenfalls auf dem Nekrolog liegen. Alle anderen Handlungen haben dagegen zu verblassen.
Der von unserer Großloge empfohlene Text enthält auch einen besonderen Hinweis, der sich auf den Nekrolog bezieht. Er lautet: Falls nicht sichergestellt ist, dass eine Ansprache von Rang gehalten werden kann, ist es besser, ganz darauf zu verzichten. Die Zeremonie der Kettenbildung und die Niederlegung der drei Rosen wirkt ohnehin stark genug.
Man kann diesen Fingerzeig auf die gesamte Trauerveranstaltung beziehen: Wenn es einer Loge nicht möglich ist, eine Feier von schlichtem Rang zu gestalten, sollte sie es lieber lassen.
Der Beitrag entstammt der Zeitschrift “HUMANITÄT — Das Deutsche Freimaurermagazin”, Ausgabe 1-2019.