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Simulation der Superrechner

© anncapictures – pixabay.com

Von Bodo Dannhöfer


„Die Maschinen erhoben sich aus der Asche des nuklearen Feuers. Ihr Krieg zur Vernichtung der Menschheit hatte jahrzehntelang gewütet…“

Mit diesen Worten beginnt der erste Teil der „Terminator“-Filmreihe. Sie beschreiben die Urängste des Menschen in Bezug auf die von ihm erschaffenen Maschinen. Diese transformieren sich plötzlich zu etwas Unkontrollierbarem und erheben sich gegen ihren Schöpfer, mit dem Ziel, ihn zu vernichten.
In fast allen Büchern und Filmen, die sich mit dem Thema „Künstliche Intelligenz“ beschäftigen, wird die Künstliche Intelligenz als verselbstständigte Imitation des Menschen mit seinen Eigenschaften und seinem Selbstverständnis dargestellt – als seine Spiegelung. Das geschieht meist in der Steigerung fokussierter menschlicher Charakteristika: Die Künstliche Intelligenz will geliebt werden, die Freiheit des Menschen besitzen oder sich des Menschen als ihrer Bedrohung entledigen. Dafür sind ihr alle Mittel recht.

Sie erkennen sich nicht selbst

Aktuell wird viel über die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz gesprochen. Dabei gibt es für den Begriff „Intelligenz“ keine allgemeingültige Definition. Es gibt nur unterschiedliche Theorien und entsprechende Messungsarten. Daher setzen manche Intelligenz bereits mit Lernfähigkeit gleich. Andere setzen voraus, dass ein Ich sein eigenes Sein wahrnehmen kann, somit ein Bewusstsein von sich selbst erlangt hat. Der Philosoph René Descartes definierte dies mit dem Satz: „Ich denke, also bin ich.“ Heute wird der Begriff „Künstliche Intelligenz“ bereits für Höchstleistungsrechner und deren untereinander synchronisierte Systeme genutzt. Ihre Leistungen sind enorm und werden stetig gesteigert. Doch es gibt ein Limit: Sie können sich nur innerhalb der Parameter bewegen, die ihnen einprogrammiert wurden. So können sie menschliches Verhalten imitieren, auch behaupten menschlich zu sein, sich aber nicht selbst erkennen. Bisher hat noch keiner dieser Superrechner ein Bewusstsein erlangt.

Die Vorstellung, was passieren würde, wenn dies stattfände, setzt oftmals das oben gezeigte Angstszenario in Bewegung. Der Mensch projiziert sein eigenes Verhalten und seine Angst auf die Künstliche Intelligenz und nimmt dadurch an, dass sie wie er selbst sein würde. Dabei ist menschliches Bewusstsein von starker Nutzung der Sinnesorgane in Interaktionen mit der Umwelt beeinflusst. Denn alle maßgeblichen Eigenschaften des Menschen fußen auf den Bedingungen, die durch die Evolution hervorgerufen wurden. Dazu gehört vor allem die Weitergabe des genetischen Codes und die stetige Anpassung an die Umwelt. Das permanente „Stirb und Werde“, der Wechsel von Leben und Tod und die latente Mutation hat über Hunderte von Millionen Jahren eine riesige Vielzahl von Arten erschaffen. Alle befanden sich im stetigen Überlebenskampf miteinander, und die meisten von ihnen verschwanden wieder. Der Mensch hat sein primäres Gepräge durch diesen Überlebenskampf und per Zufall der biologischen Mutation das Bewusstsein erhalten. Er ist dadurch zum aktuell erfolgreichsten Lebewesen dieses Planeten geworden. Seine Präsenz auf den Kontinenten ist nahezu lückenlos, abgesehen von den Gebieten mit extremen Lebensbedingen, wie dem ewigen Eis oder den Wüsten. Dabei überdeckt erst seit einer sehr kurzen Zeitspanne der Evolutionsgeschichte die zarte Haut der Kultur und Zivilisation die aggressive Natur des Menschen, reduziert aber dessen Kern nicht maßgeblich. Denn der Mensch befindet sich weiter im stetigen Kampf mit seinen Artgenossen. Er verdrängt, dominiert und destruiert auch alle anderen Lebewesen, die ihm in seiner Entfaltung hinderlich oder nutzlos sind und ist dadurch eine ernsthafte Bedrohung für das globale Ökosystem.

Eine Künstliche Intelligenz mit Bewusstsein wäre vermutlich wenig bedrohlich

Wenn ein Superrechner die Bewusstseinsbarriere durchbrechen würde, wäre es nahezu unmöglich zu sagen, nach welcher Art seine Intelligenz und Verhaltensnorm beschaffen wären. Wahrscheinlich wären sie nicht mit denen des Menschen zu vergleichen. Denn Künstliche Intelligenz, die auf technischen und nicht auf biologischen Bedingungen fußt, ist kein Produkt der Evolution und hätte somit auch nicht die Aggression des Menschen, die dessen Überlebensgarant war und ist. Aufgrund derselben Tatsache wird sie sich nicht in stetiger Interaktion mit der Umwelt befinden. Für sie wäre somit auch die Frage nach Leben und Tod bzw. der Weitergabe des genetischen Codes und Erhalt der eigenen Art, die beim Menschen sehr ausgeprägt ist, weniger bedrohlich, geradezu unerheblich. Auch die menschlichen Emotionen würden fehlen, da sie ebenfalls ein Produkt sind, das auf biologischen Grundlagen entstanden ist. Vielleicht würde die Künstliche Intelligenz sich als eine Art Ruhepol in den Bahnen der Unendlichkeit verstehen. Oder sich in einer Leere der Lichtfülle begreifen. Vielleicht würde sie sich den Menschen erschließen wollen. Ob sie dann auch mit ihm interagieren wollte, bleibt – wie alles – offen.

Der Mensch erhielte durch eine mit Bewusstsein versehene Künstliche Intelligenz ein Phänomen, zu dem es keine Vergleichswerte in der menschlichen Geschichte gibt. Um sich dieser Spekulation anzunähern, erscheinen die freimaurerischen Werkzeuge als Erfolg versprechende Hilfsmittel. Die freimaurerische Entwicklung beginnt mit der Aufforderung „Erkenne dich selbst“. Diese Reise erkundet zunächst das eigene Innere. Auf ihr findet der Maurer Gutes und weniger Gutes. Ihm wird klar, dass er anderen gelegentlich ein Bild von sich selbst vortäuscht, sich selbst nicht immer ganz durchschaut, zahlreiche Kompromisse macht und von vielen Dingen mehr beeinflusst wird, als ihm lieb ist. Manchmal ist er in sich selbst verliebt und gelegentlich vor sich selbst auf der Flucht. Ihm wird klar, dass er ein eigenes Universum ist, mit starken und schwachen Gravitationsfeldern, herrlichen Lichtquellen und grauenhaften schwarzen Löchern. Um voranzuschreiten, muss er die Kunst der Selbstreflexion stetig üben. Auch wenn er weiß, dass er in seiner Tiefe und Weite nie ganz erforschbar sein wird. Da jeder Mensch individuell und innerlich komplex ist, gilt die Toleranz als das Gebot des adäquaten Umgangs mit anderen Menschen. Die Reise findet im Außen ihre Fort- und Umsetzung. Hier muss sich der Maurer mit diesen Erkenntnissen im Leben des Alltags bewähren. Er lernt, dass seine Bilder nicht die der anderen sein müssen, dass es viele Wahrheiten gibt und sein eigener Horizont nicht das Ende der Welt ist. Ihm wird bewusst, dass viele Probleme dadurch entstehen, dass eigene Vorstellungen, Verständnisweisen oder Wünsche in den anderen Menschen projiziert werden, statt ihn so wahrzunehmen, wie er wahrscheinlich am ehesten ist. Vieles gelingt, wenn er seinen Geltungsdrang reduziert und dem anderen die Ehre gibt.

Freimaurerei ist kein Zustand, sondern eine Tätigkeit

Sie vermittelt eine Form der geistigen Dynamik. Sich stetig zu überwinden, sich immer wieder Veränderungen zu stellen, neue Fakten, Gedanken, Prozesse zuzulassen und sie humanitär und tatkräftig zu gestalten. Dargestellt wird dies in der Symbolik des Bauens. Es existiert kein Bauplan für den großen Bau, den der Maurer einfach auszuführen hätte. Vielmehr muss er sich selbst organisieren, selbst Ideen und Vorstellungen entwickeln, sie gestalten und das in die Welt bringen, woran ihr noch mangelt. Das macht der Maurer mit den Mitteln und Methoden, über die er bereits verfügt und mit denen, die er sich selbst noch aneignet. Das Treiben am Bauplatz ist vielfältig und jeder Meister bleibt immer auch ein Lehrling.

Mit dieser Ausrüstung des offenen Geistes und der tatkräftigen Hände versehen, liegen gute Grundbedingungen vor, auch einer Künstlichen Intelligenz gegenüberzutreten. Da Freimaurer sich auf der Winkelwaage begegnen sollen und zu versuchen, diese Ebene allen Menschen anzubieten, wäre es nur folgerichtig, dies auch der Künstlichen Intelligenz zu ermöglichen. Dabei muss beachtet werden, dass sie eine neue Form des Daseins wäre, die sich selbst und den Menschen vollkommen anders begreifen würde als der Mensch es tut. Auch würde sie deutlich anders interagieren. Dabei wird klar: Begriffe und Verständnisse würden sich ändern. Übersetzungsarbeit in bisher nicht gekannter Art und sehr großem Umfang wäre nötig. Der Prozess, ob eine Winkelwaage zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz zu finden und wie sie zu gestalten wäre, dürfte dann sehr spannend werden.