2 x 5, ein freimaurerisches Gesprächsformat
Von Br. Reinhard G. Lehmann
Die Entwicklung des brüderlichen Gesprächs zu einer Diskursethik, eine Annäherung an eine besondere Gesprächsform, die durch den Dialog mit anderen dem Leben einen Sinn geben kann“, so benennt Br. Helmut Reinalter einen Aspekt der Weiterentwicklung des freimaurerischen Werterahmens („humanität“ Nr. 1, 2019). Einen Baustein dazu hat die Loge „Mozart zur Liebe und zur Pflicht“ i. Or. Wiesbaden entwickelt – und wie man hört, wird er mittlerweile auch schon in anderen Logen ausprobiert: Das „2 x 5-Gespräch“.
Dieser Baustein auf der „Suche nach der freimaurerischen Zukunft“ ist aus einer ganz konkreten Situation heraus geboren, nämlich auf der Suche nach der Zukunft unserer eigenen Loge, die nach einem schmerzhaften Mitgliederschwund vor der Frage stand: Wollen wir auch bei unseren wöchentlichen Zusammenkünften inhaltlich weiterarbeiten – dann verlangt das von uns allen ganz erhebliche Anstrengungen und Mehrbelastungen – oder wollen wir den Weg zu mehr rein geselligen Abenden beschreiten, bei denen das brüderliche Gespräch mit Trinken, Rauchen und Essen zufällig und ungeregelt geschieht und dabei, so lehrt es die Erfahrung, schnell das Freimaurerische aus dem Auge verliert, und uns freimaurerisch auf die einmal monatlich stattfindende Tempelarbeit beschränken?
Wir entschieden uns, auch mit einer kleinen Mannschaft inhaltlich „dranzubleiben“, so gut es eben geht: Ein Teil des Bruderabends sollte für das geordnete Gespräch reserviert bleiben, wir wollten Themen behandeln, wir wollten geordnet gemeinsam nachdenken können, und wir wollten in der Nachdenklichkeit nicht nachlässig werden. Themen und Denkanstöße sollten nicht in unstrukturierten Unterhaltungen bei Bier und Schmalzbrot in der Beliebigkeit versacken.
Gerade in einer kleinen Loge kann dies aber zu einer erheblichen zeitlichen Belastung einzelner Brüder führen. Also musste ein Ausweg aus diesem Dilemma gesucht werden. Aus dieser Lage heraus entstand in der Loge „Mozart zur Liebe und zur Pflicht“ das „2 x 5-Gespräch“. Dieses Format hält den Aufwand zur Vorbereitung eines thematischen Abends in einem Rahmen, der jedem Bruder zuzumuten ist. Dies geschieht zum einen durch eine strikte zeitliche Begrenzung und zum anderen durch die Verteilung der Last auf die Schultern zweier Brüder.
Zwei Brüder tragen an einem Abend direkt nacheinander zu dem gleichen Thema vor, und zwar begrenzt auf entweder nur fünf Minuten oder auf fünf Thesen. Die Beschränkung auf fünf Thesen, fünf Minuten frei geäußerte Gedanken, einen in fünf Minuten vorgelesenen Text oder ein fünf Minuten lang gezeigtes Bild (ganz unterschiedliche Medien sind möglich) führt im Ergebnis zu etwa einer Viertelstunde mit thematischer Präsentation, mit Denkanstößen und Gesprächsmotivationen zu einem Thema durch zwei Brüder. Im sich daran anschließenden, vom Meister vom Stuhl oder vom Redner moderierten Gespräch tragen dann alle Brüder ihre eigenen Gedanken, Erfahrungen etc. bei.
Zum Gelingen dieses Formats, das in der Wiesbadener Loge seit mehr als zwei Jahren erfolgreich und gerne praktiziert wird, sind allerdings einige Voraussetzungen unabdingbar:
Den Brüdern der Loge darf das Thema bis zur Eröffnung des „2 x 5-Gesprächs“ nicht bekannt sein! Im Arbeitsplan der Loge steht für das betreffende Datum nur „2 x 5-Gespräch der Brüder“.
Der Bruder Redner oder Werkmeister (Aufseher) der Loge stellt das Thema etwa zwei Wochen vorher und teilt es per E-Mail oder schriftlich ausschließlich den beiden Brüdern mit, die an dem vorgesehenen Abend vortragen sollen.
Der Werkmeister vergibt die Themenstellung an die beiden Brüder einzeln und unabhängig voneinander. Auch die beiden beauftragten Brüder wissen nicht voneinander, sie wissen also nicht, wer der jeweils andere mit dem Thema betraute Bruder ist. Es empfiehlt sich daher, dass dies per E-Mail oder schriftlich (mittels eines an einem Logenabend den Brüdern zugesteckten Merkblattes) geschieht, worin auch noch einmal kurz die Regeln (5 Minuten oder 5 Thesen) in Erinnerung gebracht werden.
Es hat sich bewährt, dass der Br. Werkmeister zunächst zwei Brüder unabhängig voneinander fragt, ob sie zu einer „2 x 5-Gesprächs-Initiative“ zum vorgesehenen Termin bereit sind, bevor er das Thema benennt. So können Absagen wegen eines unerwünschten oder unbeliebten Themas weitgehend vermieden werden.
Der Br. Werkmeister achtet darauf, für die Eröffnung des „2 x 5-Gesprächs“ zwei Brüder auszuwählen, die in ihrer Lebenssituation oder in ihrer Haltung zu dem vorgesehenen Thema gewisse unterschiedliche Einstellungen erwarten lassen. Je nach Thema ist ggf. auch auf das „freimaurerische Alter“ (Lehrling, Geselle, Meister) Rücksicht zu nehmen, es kann auch besonders interessant sein, gezielt zwei Brüder Lehrlinge oder zwei Brüder Gesellen zu einem Thema zu bestellen.
Wichtig für die Durchführung ist jeweils, dass die beiden Beiträge unkommentiert direkt nacheinander vorgetragen werden und erst danach, wenn beide vorgetragen haben, das Gespräch für alle Bruder eröffnet ist.
Und was können mögliche Themen für ein „2 x 5-Gespräch“ sein? Als Faustregel kann gelten, dass Schlagworte und einzelne Begriffe besser sind, als lang und kompliziert ausformulierte Themen.
Zum Beispiel:
„Wahrhaftigkeit“, „Ehrenhaftigkeit“, „Erwartung“, „Achtsamkeit“, „Wachsamkeit und Trägheit“, „Mut und Angst“, „Treue und Verrat“, „Anstand – Respekt – Höflichkeit“, „Begegnung“, „Bescheidenheit“, „Demut und Hochmut“, „Diskretion“, „Fremdheit und Vertrautheit“, „Gastfreundschaft“, „Gehorsam – Unterordnung – Einordnung“, „Kompetenz und Anmaßung“, „Loyalität“, „Zweifel“, „Frömmigkeit“, „Abendland und Morgenland“.
Das „2 x 5-Gespräch“ hat sich bewährt als ein besonderes Gesprächsformat zum effektiven Diskussionsanschub an Bruderabenden sowie an Gästeabenden! Es ist dabei zugleich eine Übung im respektvollen Meinungsaustausch. Möge es in diesem Sinne wirken!
Der Beitrag entstammt der Zeitschrift “HUMANITÄT — Das Deutsche Freimaurermagazin”, Ausgabe 3-2019.